Brief an eine Unbekannte

Liebe A.,

gestern war es, aus der Zeitnot heraus, ein Strauß Schwarzkiefernadeln, der in der Warteschleife ausgeharrt hatte, heute bekommst Du, extra für Dich fotografiert, einen Blick in die Spitze eines Douglasienzweiges. Die Knospen warten auf den Frühling, nicht wissend, dass sie nie aufbrechen werden, hatte doch eine scharfe Schere den Zweig getrennt vom Baum. Saftlos werden sie verdorren, wenn sie als Weihnachtsschmuck ausgedient haben werden.

Es grüßt Dich

Dein M.

Ein Dezembertag

Wäre die Landschaft tief verschneit und der kleine Baum eine mit Kerzen und großen silbernen Kugeln geschmückte Fichte, könnte aus dem Bild eine Weihnachtskarte werden. So bleibt es bei der Beschreibung eines Dezembertages auf dem flachen Land

absurde Idee

 Ein Hauch Weiß auf der Straße, Temperatur nahe dem Gefrierpunkt.

Am Tag zuvor hatte sie Stolle gebacken und diese am Abend gezuckert. Eine große Menge Puderzucker war übrig geblieben. Er konnte in der Nacht nicht schlafen, schlich in die Küche. Auf dem Tisch stand die Schüssel mit dem Puderzucker. Der Versuchung konnte er nicht widerstehen, nahm Schüssel und Sieb, lief hinaus, verteilte die weiße Pracht auf der Straße. Mit seinem Werk zufrieden, kroch er zurück ins Bett, dicht zu ihr, ihre Wärme zog ihn an.

Seltener Fund

Pilzsucher fanden im Brandenburgischen den stark zerfallenen Kadaver einer Europäischen Waldechse, eine als ausgerottet geltende Reptilienart. Teile des Ober- und des Unterkiefers dieser Echse gelten seit vorgeschichtlichen Zeiten als potenzfördernd. Offensichtlich haben Wilderer das Tier getötet und mit einem extrem scharfen Schneidewerkzeug die vorderen Teile der Kiefer abgetrennt, wahrscheinlich um diese zu trocknen, anschließend zu pulverisieren und das Pulver im asiatischen Raum zu verkaufen. Anscheinend konnte die Echse vor dem Angriff noch das Maul aufreißen, aber nicht mehr zubeißen.

Der Stein

Es ist ein Stein, nichts anderes.

Ich behaupte nicht, das sei ein im Garten gefundenes Wesen. Ein Zweikopf vielleicht, also ein seltsames Tier, dessen schlangenähnlicher Leib an beiden Seiten einen Kopf trägt, bei dem es kein vorn und kein hinten gibt. Ein solches hatte ich vor einigen Wochen schon einmal vorgestellt und damit Verwunderung, auch Ablehnung erfahren. Hier ist alles noch absonderlicher. Auf der einen Seite, auf dem Foto links, glaube ich den Kopf eines freundlich blickenden Seelöwen zu erkennen, auf der anderen Seite den stolz oder leicht angriffslustig erhobenen Kopf eines pubertierenden Puters. Ein Zweikopf, dessen beiden Köpfe unterschiedliche Klassen zuzuordnen wären, einmal der Klasse der Säugetiere und zum anderen der Klasse der Vögel. 

Das ist absurd.

Um mich vor Angriffen zu schützen bleibe ich dabei: 

Es ist ein Stein.

 

glucke auf dem nest
oder ein fabelwesen
gefunden im herbst

Blaunadelbirke

Die Blätter der Blaunadelbirke haben Herbstfärbung angenommen und sammeln sich zum Abflug in den Süden

Das Ei

im
Gras
ein Ei,

vergessen,
ein Osterrest,
ein Spiegelei.
“Komm’ zu mir!“
bitte ich dich.

Klick macht die Kamera

Spiegelei

Spiegelei

Ein Wort, drei Silben.

Wandert die Betonung
von der letzten Silbe
auf die erste Silbe
wird aus der Spiegelei
ein Spiegelei,
tauschen g und l die Plätze
und mutiert das g zum r
wird aus der Spiegelei
über Spielegei
Spielerei.
  Wundersambar.

Herbst

es herbstet, es herbstelt, es herbst

auf jeden Fall ist er da, der Herbst.

Thurid kommt aus dem Garten mit einem Blatt vom wilden Wein.

Darauf hat sie eine Blüte vom Jelängerjelieber gelegt.

"Etwas für Dich!"

Eine Vorlage,

eine Vorlage von meiner Muse.

"Mach was draus", soll das heißen.

 

 

Nach  einer Generalpause geht es weiter in mäßigem Tempo.

Ich fotografiere Blüten der Kapuzinerkresse, bevor sie eine nach der anderen verspeist werden.